Die neue österreichische Regierung, eine Koalition von ÖVP, SPÖ und NEOS, plant, den Klimabonus abzuschaffen. Diese Maßnahme war darauf ausgelegt, soziale Ungleichheit in Zeiten des Klimawandels abzufedern. Wenn Heizung, Strom und Benzin teurer werden, treffen die Kosten die ärmeren Haushalte am härtesten. Genau das wird von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung als ungerecht empfunden. Die Frage, wer die Lasten der Transformation tragen muss, bewegt die Menschen in Österreich und Europa.
Wie konnte es passieren, dass die Abschaffung der Maßnahme jetzt auf so wenig Widerstand stößt? Eine wichtige Rolle dafür spielt die Kommunikation der FPÖ darüber – sie hat den Klimabonus in einer koordinierten Kampagne delegitimiert.
Ökosoziale Abfederung
Zum Hintergrund: Der Klimabonus wurde 2022 als Teil der ökosozialen Steuerreform eingeführt, um die finanziellen Belastungen der CO₂-Bepreisung zu verringern. Gleichzeitig sollte er das Bewusstsein dafür schärfen, dass sich der Klimawandel unweigerlich auf den eigenen Geldbeutel auswirkt. Einmal im Jahr wurde der Bonus an alle Personen mit Hauptwohnsitz in Österreich ausgezahlt – unabhängig von Einkommen, Beruf oder Energieverbrauch. Menschen in ländlichen Regionen, die vor allem für Mobilität stärker auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, erhielten mehr Geld.
Der Klimabonus sollte finanzielle Härten abfedern. Die Notwendigkeit dessen wurde im Jahr 2022 deutlich – ein Jahr, das in vielerlei Hinsicht bedrohlich begonnen hatte. Mit Krieg auf europäischem Boden am Horizont, und mit explodierenden Strom- und Heizkosten. Armutsbetroffene und untere Einkommensgruppen litten besonders darunter: Energiekosten waren im Jänner um fast 30% gestiegen, armutsbetroffene Haushalte, so hatte die Volkshilfe vorgerechnet, musste rund ein Drittel ihres Einkommens für Energie aufwenden (gegenüber rund 18% im Bevölkerungsschnitt). Das war sogar noch bevor die Gaspreise durch Russlands Attacke auf die Ukraine durch die Decke gingen. Die ersten Monate des Jahres 2022 wirkten wie ein Brennglas für die Verteilungsproblematik der Klimakrise: Manche wurden besonders hart getroffen – jene, die ohnehin schon benachteiligt waren –, während andere profitierten, und das in rasantem Tempo. Öl- und Gaskonzerne haben während der Energiekrise Gewinne in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Dollar erzielt.
Die Relevanz des Mechanismus wird jetzt, da die Abschaffung bevorsteht, erneut deutlich. Wie Ökonom:innen der AK ausgerechnet haben, werden Personen im untersten Einkommensdrittel dadurch rund 1,8 Prozent ihres jährlichen Haushalteinkommens verlieren: Ländliche Regionen büßen besonders viel ein. Das Wegfallen ist mit dem Effekt einer regressiven Steuer vergleichbar – wer wenig hat, muss mehr zahlen. Finanziell am härtesten trifft die Abschaffung ausgerechnet Regionen, in denen die FPÖ den stärksten Zuspruch hat.
Der Klimabonus war als direkter Cash-Transfer gestaltet. Das ist für eine sozialpolitische Maßnahme ungewöhnlich. Es soll eine bestimmte „Volksnähe“ vermitteln: Der Staat gibt symbolisch etwas „zurück“, was vorher „genommen“ wurde (durch CO2 Bepreisung). So wird ein Reziprozitätsverhältnis suggeriert. Das Prinzip der Wechselseitigkeit kennen Menschen aus dem Alltag, zum Beispiel wenn Freunde sich gegenseitig zum Abendessen einladen. Es hat eine moralische Komponente. Diese lässt sich gut mit einfachen Botschaften verknüpfen, der „Sensibilisierung für den Klimawandel“ in diesem Fall. Der „Haider-Hunderter“ in den 1990er Jahren oder Donald Trumps „Stimulus Checks“ in der Frühphase der Pandemie waren auch so gestaltet – die Botschaft war in diesen Fällen aber jeweils eine verkürzte Elitenkritik („wir geben euch zurück, was euch Wien/Brüssel/Washington weggenommen hat“).
Der Klimabonus hatte Schwächen. So hätte man die Maßnahme durchaus treffsicherer gestalten können, um die 1,5 Millionen Personen in Österreich, die als armutsgefährdet gelten, gezielter zu unterstützen. Trotzdem war es ein wichtiger Versuch, Klima und Soziales zusammenbringen. Zudem brachte der Klimabonus die Verteilungsfrage aufs Tableau.
Wie kann es also sein, dass es jetzt so leicht fällt, die Maßnahme abzuschaffen – und dass auch in der neuen Regierung niemand daran festhalten will? Ein Teil der Antwort liegt in der Art und Weise, wie das Instrument kommuniziert wurde. Die FPÖ hat den Klimabonus gezielt attackiert, indem sie die Gerechtigkeitsdimension des Klimabonus strategisch verdrehte.
„Asylanten“ gegen „österreichische Babys“
Eine kleine Tiefenbohrung in der freiheitlichen Medienwelt zeigt das auf. Die FPÖ schürte gezielt politische Emotionen, indem sie den Klimabonus als ungerechte Umverteilungsmaßnahme thematisierte. Dabei rückte sie die Frage, wer dieses Geld „verdiene“ in den Vordergrund und bringt eine ganze Reihe vermeintlich unberechtigter Empfängergruppen ins Spiel.
Im FPÖ Medium Unzensuriert.at finden sich zum Schlagwort „Klimabonus“ im Zeitraum zwischen 22. Jänner 2022 und 15. Jänner 2025 75 Artikel. In 59 von 75 dieser Artikel – also in knapp 80% – wird skandalisiert, dass der Klimabonus an „Asylanten“ oder „Flüchtlinge“ ausgezahlt wird. Die Behauptung, dass vom Klimabonus angeblich Nicht-Österreicher:innen in hohem Maß profitieren würden, ist der zentrale Schlachtruf der Kampagne.

Das übergeordnete Feindbild ist von Beginn an die CO2-Bepreisung. Diese wird von Herbert Kickl als „Anschlag auf jene, die das Auto beruflich brauchen“ (März 2022) und als „Angriff auf die Geldbörsen der Autofahrer“ (Juni 2022) bezeichnet. Im Frühjahr 2022 redet man allerdings sogar auf Unzensuriert.at noch von der Notwendigkeit von Entlastungsmaßnahmen. Für den Anstieg der Energiepreise im ersten Halbjahr von 2022 wird salopp das „moderne Raubrittertum“ (Juni 2022) der türkis-grünen Bundesregierung sowie des roten Wien verantwortlich gemacht. Die Parteilinie gegen den Klimabonus kristallisiert sich im Sommer 2022 heraus: Nun wird von seiner „Magnetwirkung für Migranten“ fabuliert, „die Telefone nach Afghanistan und Co. würden jetzt schon glühen“ (August 2022).
Heiß läuft nun vor allem die kreative Dichtkunst in den FPÖ-Parteizentralen: der Klimabonus seien „Asylanten-Goodies“, es würden davon in erster Linie „Häftlinge und Asylwerber“ profitieren (September 2022). Konkret erhielten das Geld außerdem „Mörder, Vergewaltiger und Schlepper“, sowie „Räuber“. Der Tiroler FPÖ-Chef setzt noch eins drauf: während „verurteilte Vergewaltiger in Vollversorgung“ ausbezahlt werden, „fallen … mehr als 40.000 österreichische Neugeborene um ihre 250 Euro um […], weil sie noch nicht lange genug im Land gemeldet sind“ (September 2022). Es gäbe also pikanterweise „keinen Klimabonus für Babys“, so die Kritik (August 2022). Bald entdeckt man noch eine weitere Kategorie: „So ‚profitieren‘ Tote vom grünen Klimabonus“, ergeben die Hintergrundrecherchen der Partei (September 2022, Jänner 2023). Zudem thematisiert man die Schieflage, dass „Häfenbrüder“, „Häftlinge“, aufgrund der Tatsache, dass sie in Österreich gemeldet sind, einen Anspruch auf diese Zahlung haben – hier tönt man später stolz, dass „auf Druck der Freiheitlichen der Klimabonus für Häftlinge abgeschafft wurde“ (März 2024). Die Nennung von „Asylanten“, „Asylwerbern“, „Flüchtlingen“ und „Migranten“ als „Profiteure“ dieser Zahlungen ist allgegenwärtig. Das Motiv, das „Asylwerber, die vom Staat rundum versorgt werden, in den Genuss des ‚Klimabonus‘ kommen“ (August 2023) zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Kommunikation. In Wien dichtet beispielsweise FPÖ-Chef Dominik Nepp die Maßnahme zum „Asylwerber-Bonus“ um (20. Oktober 2022).
Mit der Maßnahme werden durchwegs Sozialfiguren in Verbindung gebracht, die als gesellschaftliche Randexistenzen wahrgenommen werden – scheinbar moralisch fragwürdige, zweifelhafte Gestalten, die von der Peripherie her in den Schoß der Gesellschaft drängen, dorthin, wo sich die unterfinanzierten österreichischen Babys befinden. Das Ganze sei ein „Schlag ins Gesicht für jeden arbeitenden Österreicher“ (September 2022). Das Geld würde an die Falschen ausgezahlt werden. Zugleich wird der Klimabonus – im Widerspruch zur behaupteten ungerechten Verteilungswirkung – von den Freiheitlichen als Ablenkungsmanöver dargestellt, als Strategie zur Beschwichtigung, als „Pappenstiel“ (September 2022). Er sei eine Ablenkung von den wahren Geschehnissen. Im Hintergrund, so die Erzählung, setzen insbesondere die Grünen ihre Agenda durch – eine bösartige Umgestaltung von Staat und Gesellschaft, von langer Hand geplant. Der „Anschlag auf die Autofahrer“, den der Anstieg der Energiepreise ja in Wirklichkeit laut Herbert Kickl bedeute, sei eine bewusste Politik, mit der der Staat sich angeblich auch noch bereichere. In der freiheitlichen Kommunikation ist das Wort „Klima“ insgesamt ein Code, der diesen klandestinen Machtplan der Grünen bezeichnen soll.
Als universelles sozialpolitisches Instrument war der Klimabonus einem Prinzip verpflichtet, das für den österreichischen Wohlfahrtstaat historisch eine enorme Bedeutung hat, und das der britische Soziologie T.S. Marshall zurecht als eine der größten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts bezeichnet hatte: Universelle Maßnahmen stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl, da sie nicht als Ausdruck von Sonderprivilegien oder Belastungen einzelner Gruppen wahrgenommen werden. Genau mit partikularistischen Argumenten versuchen die Freiheitlichen jedoch, die Maßnahme zu zerpflücken. Relevant ist auch, wie sie den Reziprozitätsgedanken dahinter verfälschen. Der Aspekt der Kostenkompensation wird uminterpretiert. Dazu wird beispielsweise ein gewisser Gerolf S. als „Kommentar aus den sozialen Medien“ zitiert: „Im Endeffekt hast du 500 Euro vom Staat bekommen (das du vorher einbezahlt hast, das die Regierung natürlich mit einer neuen Steuer (Co2 Steuer) sich wieder zurückholt“ (Oktober 2022). In diesem Framing entsteht kein Ausgleich durch erhöhte Belastung und anschließende Kompensation, sondern ein dreistufiger Prozess: Belastung, Kompensation, erneute Belastung. Ähnlich schmückt auch Christian Hafenecker die Maßnahme zu einer „Strafsteuer für Leistungsträger“ aus (Mai 2024). In diesem Framing handelt es sich nicht um echte Reziprozität, sondern um einen Trick, eine Täuschung, die lediglich dazu dient, neue Steuern zu rechtfertigen.
Der organisierte Spin lenkt Gerechtigkeitsgefühle
Diese Narrative finden sich nicht nur auf unzensuriert.at. Exakt dieselben Erzählungen über den Klimabonus – vor allem das „Klimabonus für Asylwerber“-Motiv – dominierten auch in der überwiegenden Mehrheit der Posts auf Twitter/X, die Freiheitliche zu diesem Thema abgesetzt haben (die meisten im September 2022). In den Artikeln, die in der rechtsextremen Zeitschrift Zur Zeit dazu online zu finden sind, finden sich ebenfalls dieselben Argumentationsmuster und Sozialfiguren. Die homogene Kommunikation ist Ausdruck einer koordinierten politischen Kampagne. Sie verdeutlicht auch, dass das scheinbar breite mediale Paralleluniversum der FPÖ von einem zentralen Netzwerk aus ideologischen Think Tanks und Spin-Doktoren geprägt wird, die strikt der Parteilinie folgen.
Die gezielte rhetorische Delegitimierung des Klimabonus zeigt exemplarisch, wie rechte Politik Emotionen der Ungerechtigkeit mobilisieren kann: Die Verteilungsfrage wird aufgegriffen, jedoch durch einen moralisierenden Verdienstdiskurs verfälscht. Zwar hatte der Klimabonus Schwächen, doch als universelles Instrument war er von der Idee getragen, ein tief verwurzeltes Prinzip der österreichischen Wohlfahrtsstaatlichkeit in die Ära ökosozialer Sicherungsmechanismen zu übertragen. Die FPÖ untergräbt gerade diesen Anspruch, indem sie den Klimabonus als Maßnahme darstellt, die vor allem „Asylanten“ zugutekommt.
Dem Klimabonus mag man nachtrauern oder nicht, neuere Vorschläge dazu sollten treffsicherer gestaltet werden. Aber die Abschaffung zeigt auch, wie es der FPÖ gelingt, grundlegende Fragen zur Zukunft des Sozialstaats in Zeiten des Klimawandels im Keim zu ersticken. Denn eine Politik, die ökologische und wirtschaftliche Risiken abfedert, vor allem für Menschen mit geringem Einkommen und ohne Vermögen, gehört zu den zentralen wohlfahrtstaatlichen Herausforderungen unserer Zeit.